FNY Festival: Giegling


Zum Auftakt des ersten FNY Festivals im Werksviertel Mitte spielten mit Edward, Vril und ATEQ gleich drei Acts des Berliner Labels Giegling.

Mexiko, USA, Taiwan, Russland, Israel – die Giegling-Crew ist in diesem Jahr viel rumgekommen. Auf ihrer zweimonatigen Welttournee ‘Planet Giegling’ bereisten und bespielten sie 18 Städte in 15 Ländern. Das mittlerweile in Berlin ansässige Label ist in den letzten Jahren förmlich explodiert. Los ging alles im Jahr 2006 mit einer House-Party in Weimar aus der zunächst ein Club und schließlich das Label entstanden. Der immense Hype, den Giegling seither erfuhr, manifestiert sich nicht nur in Welttourneen, sondern auch in der Nachfrage nach ihren Releases: Die aufwändig gestalteten Platten sind stets schnell ausverkauft und werden in der Folge bei Discogs und anderen Börsen zu gewaltigen Preisen gehandelt. Beinahe jede Veröffentlichung führte in den vergangenen Jahren irgendwelche DJ-Charts an und Resident Advisor kürte Giegling zum Label des Jahres 2016. Trotz des immensen Erfolgs hat sich Giegling eine gewisse DIY-Ästhetik erhalten – das Label ist persönlich, spontan, eigenwillig und, wenn nicht gerade eines der Mitglieder misogyne Sprüche klopft, auch ausgesprochen sympathisch.

Einer, der von Anfang an dabei war, ist Mitbegründer ATEQ. Sein minimalistischer Sound liegt irgendwo in der Komfortzone zwischen Dub-Techno und Deep House, den musikalischen Fixsternen im Giegling-Universum. Ist ATEQ so etwas wie der Querschnitt des Labels, repräsentieren Acts wie Vril und Edward dessen stilistische Offenheit. Edward ist dabei eher einer der poppigeren Trabanten. Er vermengt jazzige und soulige Klänge und stupst sie mit feiner Hand mal in Richtung House, mal in Richtung Disco. Nicht weniger filigran aber deutlich härter geht der ominöse Vril an die Regler. Sein düsterer Live-Techno rekurriert auf bestes 90er-Gebretter und ist maßgeschneidert für Beton-gewandete Tiefgaragen-Floors.

Mit der gesamten Gielgling-Crew hatten die drei kurz vor dem FNY noch einen eigenen Floor beim erstmals ausgetragenen Waking Life Festival in Portugal bespielt. Vril nahm von dort einen kleinen Umweg über Japan um dann am Freitag im Münchner Regen zu landen. Nach einigen höchst-sommerlichen Wochen hatten Regen und Temperatursturz sowohl das Veranstaltungs-Team als auch die Gäste des FNY einigermaßen kalt erwischt. Der gigantische Kubik Outdoor-Floor musste in die Tonhalle verlegt und zahlreiche Slots verschoben oder Auftritte ganz gecancelt werden. Dass Edward, Vril und ATEQ an diesem Abend in der Tiefgarage spielen würden, war aber ohnehin klar und so änderte sich hier nur das „Warm-up“, das nun ein gewisser Marshall Jefferson übernahm. ‚Schon skurril‘ befand Edward, der Nachts zuvor noch im :// about blank, Berlins sympathischster Autonomendisko, gespielt hatte und nun gleich vom Gründungsvater des House übernehmen sollte, der zuletzt eher auf Großraum-Partys im UK und auf Ibiza zu Hause war. Das ‚skurril‘ bezog sich dabei wohl gleichermaßen auf die Tatsache, dass hier gerade eine absolute Legende für ihn den Floor aufwärmte, als auch auf die nicht von der Hand zu weisende Diskrepanz zwischen Jeffersons bunten Happy House und der euphorischen Melancholie der eigenen Produktionen. Edward ließ sich davon weiter nichts anmerken, baute seelenruhig den Kram für sein Live-Set auf, bedankte sich bei Jefferson und übernahm nach einem schier endlosen Abschlusstrack sogleich mit ein paar sehr rhythmischen Nummern. Die deutlich vom Krautrock beeinflussten, hypnotischen Percussions zogen den Floor sofort in ihren Bann und Edward steigerte sich ganz langsam und behutsam zum Deep House seines Debüts ‘Teupitz’. Von den ca. 500 Gästen, die es trotz Kälte und Regen ins Werksviertel Mitte geschafft hatten, fanden sich die allermeisten nach und nach in der Tiefgarage ein und schnell war klar, dass man diese auch nicht mehr verlassen musste. ATEQ, der nach einem 1,5 stündigen grandiosen Live-Set von Edward übernahm, lies daran auch gar keinen Zweifel aufkommen. Sein DJ-Set fand, wie gewohnt, genau die richtige Balance zwischen klaren, wuchtigen Bässen und grisseligen Lo-Fi Klängen, zwischen geradlinigem Techno und durchdachtem Minimal. Der perfekte Übergang zu Vril, der nach knapp zwei Stunden nahtlos übernahm und die Garage mit einem brachialen Live-Set endgültig zum überkochen brachte. Die monoton-krachenden Bässe und Drums holten nebenbei auch alles aus der großartig ausgerichteten Lambda Labs-Anlage. Noch im letzten Winkel knallte und ziepte es bis die Wände vor lauter Hitze Blasen zu werfen schienen. Darunter kamen dunkel-funkelnde Melodien und Ambient-Flächen zum Vorschein, die Vril gegen Ende des Sets immer weiter ausbaute und mit abgehackt hineingeworfenen Bässen auch die letzten Köpfe endgültig leerpustete. Regen und andere weltliche Probleme würden in den nächsten Stunden sicher keinen der Gäste mehr belasten.