Leroy & Angela Aux: Supergruppe Subkultur


München kann mehr als Monokultur: DIY-Tausendsassa Angela Aux und Elektro-Slacker Leroy haben eine Kassette aufgenommen. Das Cover kommt von Hank Schmidt in der Beek, einem der spannendsten Künstler der bayerischen Landeshauptstadt.

Noch kein Jahr ist es her, dass Sebastian Schnitzenbaumer, Sohn des verstorbenen Filmemachers Peter Schamoni und Vorsteher des Münchner Labels Schamoni Musik, medienwirksam erwog, eine Schadenersatzklage gegen die bayerische Landeshauptstadt anzustrengen. Das glattpolierte, elitäre Image Münchens, so Schnitzenbaumer, mache es unmöglich, mit moderner Popmusik über die Stadtgrenzen hinaus glaubwürdig zu erscheinen, was wiederum für ihn und andere Kunst- und Kulturschaffende geschäftsschädigend sei.

Schnitzenbaumer musste es wissen – auf seinem Label erschien 2015 Leroys Debütalbum „Skläsh“, das vor allem in der internationalen Rezeption durch die Decke ging. Der britische Guardian führte Leroy als „new band of the week“ und immer wieder war gar von „Munich‘s Underground“ zu lesen – einer Wortkreation, die im deutschsprachigen Raum bestenfalls als Lehrbeispiel für ein Oxymoron durchging.

Just nach dieser Klageerwägung tat sich aber was im Münchner Untergrund. So erschienen nonkonforme, rohe Post-Punk-Perlen von Candelilla und den Friends of Gas. Das Netzwerk „Freie Szene München“ gründete sich und machte mit einem umfassenden Positionspapier auch medial auf sich aufmerksam. Die Tanzwerkstatt Europa, ein Festival, das schon seit 1991 progressive Ideen und Ästhetiken des zeitgenössischen Tanzes und der Performance-Kunst nach München bringt, wurde mit dem neuen Spielort am Wittelsbacher Platz zumindest kurz Teil der öffentlichen Wahrnehmung. Und natürlich trug auch die von Schnitzenbaumer angestoßene Diskussions-Reihe „Monokultur München – Autopsie einer Stadt“ dazu bei, den strikten Gegensatz zwischen München und Subkultur zumindest ein wenig aufzuweichen.

Für die jüngste Veröffentlichung auf Schamoni Musik hat sich nun gar so etwas wie eine Supergroup der Münchner Subkultur zusammengefunden: Angela Aux und Leroy, die beide in zahlreichen anderen Projekten aktiv sind. Leroy etwa in den Bands Chat Group und Das Hobos oder solo als Produzent und DJ. Angela Aux spielt in der Indie-Band Aloa Input, veröffentlicht als Heiner Hendrix Gedichte und Kurzgeschichten und organisiert das multimediale (Sub-) Kulturfestival Panama Plus. Zusammen haben die beiden die Kassette „Grain in Vain“ aufgenommen. Schon das Format versprüht diese spontane, eigenwillige DIY-Ästhetik und bedient die Sehnsucht geplagter Großstadtseelen nach Analogem und Kontemplation. Eine Kassette lässt sich vor- und zurückspulen ohne dass die Zeit vergeht und ohne dass je der Anfang eines Liedes gefunden würde. Hören wir „Grain in Vain“ einfach von vorne, zeigt sich, dass auch der musikalische Inhalt mit Stadtflucht trefflich überschrieben werden kann. Ab dem ersten knisternden Gitarrenakkord sitzen wir neben Leroy und Angela Aux auf dem hintersten Wagon eines Güterzuges; den Wind im Haar und einen Strohhalm zwischen den Zähnen. Eingepackt haben die beiden außerdem ein kleines Aufnahmegerät um in den langsam vorbeiziehenden Wäldern und Feldern allerlei Geräusche einzufangen und in ihre Lieder zu packen. Damit und mit ein paar analogen Beats und Instrumenten schlawinern sie sich durch Blues, Americana, Folk und Indiepop und garnieren das Ganze mit gleichsam sozialkritischen wie sozialromantischen Texten. Dabei hallt der Gesang mal dumpf und dreckig oder leiert hochgepitcht vor sich hin. „Lo-fi Magic“ umschreibt Leroy das Resultat einer kurzen gemeinsamen Aufnahme-Session, die Angela Aux zunächst gar nicht als solche wahrgenommen hatte: „Ich murmelte einige Texte und Gedanken ins Mikrofon und dachte, wir wären immer noch beim Soundcheck. Erst als Leroy meinte, wir könnten mal eine Pause machen, bemerkte ich, dass wir schon aufnahmen.“ Nur zwei Stunden haben die beiden im Studio verbracht mit dem Ziel „schnell zu machen und den Moment einzufangen.“

  

Eine ähnliche Unmittelbarkeit und Zitierfreude sollte auch das Cover ausstrahlen. Dass sich die beiden dafür an den Münchner Künstler Hank Schmidt in der Beek wandten, war fast zwangsläufig. Er hatte schon das Cover des Leroy Debüts „Skläsh“ und das Logo von Schamoni Musik gestaltet und ist beim Label gemeinsam mit Franz Ferdinand´s Nick Mc Carthy und LaBrassBanda Produzent Seb-I Kellig als Lunsentrio auch musikalisch aktiv. „Ich mag seinen Humor“, meint Leroy und natürlich findet sich der auch auf dem Cover zu „Grain in Vain“. In typischer Manier hat der Künstler dort zwei Putten in ein Pop-Art Cornflakes-Werbemotiv collagiert. Die Knäblein, die in der Schüssel schwimmen, sind aber gar keine Knaben mehr. Statt Kindchenschema und Babyspeck haben die beiden weibliche Brüste und kokettieren munter mit ihrer eine zwischengeschlechtlichen Sexualität. So komplettiert Schmidt in der Beek mit einem schelmischen kleinen Ritt durch die Kunstgeschichte die Supergroup der Münchner Subkultur. „Grain in Vain“ ist ein DIY-Kleinod, das in Form und Inhalt gleichsam Satire, Surrealismus und Realromantik mit dem Pop-Appeal so unterschiedlicher Songwriter wie Bob Dylan, Elliot Smith oder Frank Zappa vereint.

Die Kassette erschien bereits am 1. September in einer Auflage von 100 Stück und war entsprechend schnell vergriffen. Die gute Nachricht für alle die kein Tapedeck und keinen Walkman haben: Ende Oktober gibt es „Grain in Vain“ auch auf Vinyl.


Für: superpaper